Offener Brief zur geplanten Anbindung der Gemeinde Stahnsdorf an das S-Bahn-Netz

Auf Bitte von Anwohnern, die sich für einen S-Bahnhof wie im gültigen FNP seit 2012 vorgesehen einsetzen, veröffentlichen wir diesen Brief
2025 01 11 2

Offener Brief zur geplanten Anbindung der Gemeinde Stahnsdorf an das S-Bahn-Netz (S25 Süd)

An den Bürgermeister der Gemeinde Stahnsdorf
An den Vorsitzenden der Gemeindevertretung der Gemeinde Stahnsdorf
An die Fraktionsvorsitzenden der Gemeinde Stahnsdorf
An die Vorsitzende des S-Bahnausschusses

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind eine Gruppe von Einwohnern aus dem Umfeld des geplanten S-Bahnhofs an der Sputendorfer Straße. Wir setzen uns dafür ein, dass der geplante S-Bahnhof zwischen Ruhlsdorfer Straße und der L77n (wie im gültigen FNP seit 2012 vorgesehen) entsteht.

Das Dreieck jenseits der L77n (Nähe Endress+Hauser SE+C0.KG), welches sich im Besitz der Gemeinde Stahnsdorf befindet, wurde ursprünglich von den Gewerbetreibenden als Standort für die Anbindung ausdrücklich gefordert. Dieser Standort wäre erheblich kostensparender zu verwirklichen (z.B. Wegfall der Querung der L77n) und bietet zudem genügend Platz für die geplanten Abstellgleise. Das Argument der Bahn, dass hier weniger Fahrgäste generiert würden, überzeugt nicht. Für die Anwohner im Umfeld wäre die Verschiebung des Bahnhofs um wenige hundert Meter in Richtung L77n kein Hinderungsgrund für die Nutzung der Bahn, insbesondere wenn dieser mit Rad- und Fußwegen gut angebunden wird. Da Stahnsdorf ein Flächenort ist und der Bahnhof in jedem Fall am Ortsrand liegt, wird die Mehrzahl der Bürger wie gewohnt mit dem Auto oder dem Fahrrad zum Bahnhof fahren, auch wenn dieser an der L77n liegt. Auch für Fahrgäste aus Kleinmachnow und den umliegenden Gemeinden ist der Bahnhof an der L77n zentraler und besser erreichbar. Da im Umfeld des Bahnhofs mit verstärkter Baugebietsentwicklung und Gewerbeansiedlung zu rechnen ist, dürfte dieser Aspekt bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit des Projekts stärker zu Buche schlagen als eine Annäherung des Bahnhofs an bestehende Einfamilienhaussiedlungen.

Von den negativen Auswirkungen durch einen Bahnhof östlich der L77n wären erheblich weniger Menschen betroffen. Es bliebe genügend Zeit, das Gebiet westlich der L77n in Ruhe zu entwickeln. Die Gemeinde plant schnellstmöglich einen städtebaulichen Wettbewerb für das Bahnhofsumfeld zu beauftragen, obwohl die genauen Parameter für den geplanten Bahnhof und das Umfeld noch gar nicht feststehen.

Unmittelbar nach Querung der L77n soll südlich des geplanten S-Bahnhofs auf dem bisher freien Feld eine Abstellanlage für vier Vollzüge nebeneinander entstehen, weil das Gelände der bisher in Berlin Lichterfelde-Süd beheimateten Abstellanlage durch die Bahn verkauft wurde. Dort entsteht ein neues Wohnviertel. Die Lage und die Länge von ca.148 m pro Gleis führen dazu, dass jeder S-Bahn-Zug, der in diese Gleise ein- oder ausfährt die volle Länge des S-Bahnhofs nutzen muss. Dies führt aber auch zu erheblichen zusätzlichen Belastungen im direkten Umfeld des geplanten S-Bahnhofs und verschärft den zu erwartenden immissionschutzrechtlichen Konflikt. Um eine massive Verschlechterung der Wohnsituation und Grenzwert-überschreitungen zu vermeiden, wäre ein erheblicher finanzieller und bautechnischer Aufwand beim primären Schallschutz nötig. Wir gehen davon aus, dass hier neben der angedachten Troglage zusätzlich Lärmschutz-wände und eine Deckelung des Bahnhofs erforderlich sind. Wird der Bahnhof hingegen nach Osten verscho-ben, kann viel besser planerisch darauf reagiert werden. Dort kann eine potentielle Bebauung noch entwickelt werden. Die Abstellgleise könnten so von der Ostseite her bedient werden.

Im Zusammenhang mit der Anbindung der Gemeinde Stahnsdorf an die S 25 wird immer wieder darauf hinge-wiesen, dass dieses Vorhaben wesentlich zur Verbesserung des Klimaschutzes beitrage. Da der Klimaschutz Bestandteil des Umweltschutzes ist, geht es nicht nur um die Verringerung der von Menschen verursachten Treibhausgasemissionen, sondern u. a. auch um Artenschutz und den Erhalt bestehenden Grüns (z.B. in Form jahrzehntealter Baumbestände). Durch die Verlagerung des Endbahnhofs würde verhindert, dass schützenswerte Flora und Fauna in großem Ausmaß unwiederbringlich zerstört werden, was auch durch die angekündigten "Ersatzpflanzungen" nicht adäquat ausgeglichen werden kann.

Während der Bürgerveranstaltungen zur geplanten S-Bahntrasse nach Stahnsdorf zeigte sich wiederholt der wachsende Unmut der Bürger über die geplante Lage des Endbahnhofs unmittelbar an der Sputendorfer Straße. Diese Kritik wurde mit dem Argument abgewiesen, dass jede Verschiebung des Bahnhofs in Richtung L77n erheblichen Einfluss auf die Kosten-Nutzen-Relation habe und die Förderung des Bundes von 75% sowie des Landes von 25% in Frage stelle. Aufgrund der erhaltenen Rückmeldungen auf unsere Nachfragen bezweifeln wir jedoch, dass in den bisherigen Planungen bereits alle Varianten ausreichend und ergebnisoffen geprüft wurden. Dies sind z. B. bautechnische, verkehrstechnische, immissionsschutzrechtliche und ökologi-sche Belange sowie die Belastungen bestehender Wohngebiete. Wurde der Einfluss der verkürzten Streckenführung auf das Investitionsvolumen und den Wirtschaftlichkeitskoeffizienten ausreichend berück-sichtigt?

Nach Auskunft der DB Netz AG wurde zwischen 2017 und 2019 mit der Gemeinde Stahnsdorf zur Erreichung eines möglichst hohen Fahrgastpotenzials für die S-Bahn eine Lage so dicht wir möglich an der Sputendorfer Straße vereinbart. Diese schmalste Stelle des gesamten Areals ist jedoch für die mit einem S-Bahnhof verbun-dene Verkehrsbelastung nicht ausgelegt. So verengt sich die Sputendorfer Straße zwischen geplantem S-Bahnhof und Lindenstraße. Es gibt hier lediglich viel zu schmale Bürgersteige und keinen durchgehenden Radweg. Die Situation ist schon jetzt für die Schulkinder von der nahen Lindenhof Grundschule, für Radfahrer und für Fußgänger gefährlich. Auch nutzen viele PKW die Straße in Richtung Gewerbegebiet, um Wartezeiten an der Ampel am Stahnsdorfer Hof zu vermeiden. Aufgrund der angestrebten Fahrgastzahlen vom/zum S-Bahnhof wird der Individualverkehr nicht abnehmen sondern drastisch zunehmen. Die Aufnahmekapazität der Straße würde dadurch weit überschritten. Die umliegenden Wohngebiete werden zusätzlich durch „Fremdparker“ belastet, wenn nicht genügend und gebührenfreie Park + Ride Flächen in Bahnhofsnähe zur Verfügung gestellt werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Sputendorfer Straße für den An- und Abreiseverkehr durch Pkw und Busse nicht geeignet ist (s.a. Forderung der BUND-Gruppe-TKS und der Agendagruppe 21 an die DB, das Land Brandenburg und die Gemeinden Stahnsdorf und Teltow vom 07.11.2023).

- Wir erwarten deshalb, dass seitens der Gemeinde Einfluss auf das Planungsgeschehen im Sinne der betroffenen Einwohner genommen wird und dass die ursprüngliche Planung (Beschluss der Gemein-devertretung B-15/087 vom 09.07.2015), nämlich die Positionierung des Bahnhofs östlich der L77n und näher am Gewerbegebiet, wieder in die Diskussion aufgenommen wird.

- Wir erwarten, dass von externen Experten ein Verkehrskonzept für die Anbindung des S-Bahnhofs erstellt wird. Dieses muss in die Kosten-Nutzen-Rechnung einbezogen werden und langfristige sowie nachhaltige Lösungen (auch für die Sicherung der Wohnqualität der Anwohner) beinhalten.

- Wir erwarten, dass die Gemeindevertreter von Teltow und Stahnsdorf eng und gemeinsam am Projekt der S-Bahnanbindung mit den beteiligten Akteuren interagieren und sich dabei am Leitbild der Gemeinde Stahnsdorf als “Grüne Gemeinde“ orientieren.

- Wir erwarten von Verwaltung und Gemeindevertretung die Erstellung und Anwendung eines in Pla-nung, Durchführung und Nachbereitung professionellen Bürgerbeteiligungsverfahrens. Es sollte den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur die Möglichkeit zur Mitwirkung geben. Es sollte auch sichergestellt werden dass sie unaufgefordert und zeitnah darüber informiert werden, ob und in welchem Umfang ihre Anregungen in die politischen Entscheidungen und deren administrative Umsetzung eingeflossen sind, bzw. warum sie gegebenenfalls nicht aufgegriffen wurden.

Die Pläne für die Verlängerung der S-Bahn nach Stahnsdorf sind mehr als 90 Jahre alt. Aber die Erkenntnisse, Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Werte haben sich in dieser Zeit - u.a. auf dem Gebiet des Umweltschutzes - so gravierend verändert, dass sich die Umsetzung des Vorhabens nicht primär an dem offenbar zugrunde liegenden klassischen Wirtschaftlichkeitsbegriff orientieren darf.

Die Unterzeichner des Offenen Briefes sehen aus diesen mannigfaltigen Gründen noch erheblichen Gesprächsbedarf in viele Richtungen und erwarten, dass die Pläne insgesamt ergebnisoffen und im Rahmen einer breiten Bürgerbeteiligung so überarbeitet werden, dass sie auch in den nächsten Jahrzehnten Bestand haben und unser Stahnsdorf als “grüne Kommune“ erhalten bleibt.

Die Unterzeichner

Monika Plaumann, Dieter Brockmeyer, Marie-Luise Goedecke, Holger Gercke, Rüdiger Knipp Stahnsdorf, 21.11.2024


Wer den Inhalt des offenen Briefes unterstützen möchte, kann dies mit seiner Unterschrift tun.

Antwortbogen hier downloaden.