Dr. sc. nat. Gerhard Casperson verstorben
Ein Nachruf
von Cornelia Behm und Axel Mueller/Förderverein Buschgraben-Bäketal, März 2023
KLEINMACHNOW | Welch ein glücklich vollendetes Leben? Ihm war es vergönnt bis ins 93. Lebensjahr, bis zu seinem letzten Atemzug als Botaniker und Ökologe sich für seine Ziele in seiner Heimat Kleinmachnow zu engagieren und dabei viele seiner Mitstreiter in seiner Nähe zu wissen. Ein Leben ging zu Ende, das von einer engen Bindung an die evangelische Kirchgemeinde, aber auch an die Umweltbewegung und eine grün-bürgerbewegte Kommunalpolitik geprägt war.
Mai 2020: Dr. Casperson auf der ihm gewidmeten Bank am Teltowkanal (Foto: © ca)
Sein Leben begann in Riga, wo er Kindheit und Jugend verbrachte, dann die Zwangsumsiedlung 1939 nach Lodz, in das polnische von Deutschen besetzte Warthe-Gau und im Januar 1945 die Flucht und Übersiedlung nach Potsdam erlebte.
Zu Kriegsende der tragische Tod des Vaters und die schwierige Zeit des Überlebens mit den Geschwistern unter ärmlichsten Verhältnissen in der sowjetischen Besatzungszone. Nach dem Abitur 1948 erhielt er an der Berliner Universität, ab 1949 Humboldt-Universität, die Zulassung zum Studium und besuchte die Vorlesungen in den noch nutzbaren Räumen der stark zerstörten Invalidenstraße neben dem heutigen Naturkunde-Museum bei führenden Wissenschaftlern. Neben dem Studium konnte er sich ab 1950 als Hilfsassistent den eigenen bescheidenen Unterhalt sichern. Nach der Diplomprüfung 1952 über pflanzengeografische Fragen an der Wublitz arbeite er über den Einfluss von Windschutzhecken und deren Pflanzengesellschaften auf das Mikroklima, diese Arbeit wurde 1956 mit der Promotion abgeschlossen. Als neue Herausforderung fand er danach eine Anstellung bei Prof. Erich Correns, um am Institut für Faserforschung in Teltow-Seehof die Feinstruktur pflanzlicher Zellwände mit Hilfe des Elektronenmikroskops zu erforschen, was mit der Habilitation 1964 einen Höhepunkt erreichte. In dieser Zeit folgte er einem Lehrauftrag an der Humboldt-Universität und hielt Vorlesungen über Ökologie und Entwicklungsphysiologie der Pflanzen. Damit nicht genug: Viele in der ehemaligen DDR bildungspolitisch benachteiligte Jugendliche, die im 1950 eröffneten Kirchlichen Seminar auf Hermannswerder in Potsdam, später in Kirchliches Oberseminar (KOS) ein kirchliches Abitur ablegten, lernten ihn hier als engagierten Biologielehrer kennen. 1971 wechselte er an das Institut für Pflanzenschutzforschung nach Kleinmachnow, wo unter der Leitung von Prof. Horst Lyr eine Abteilung für Grundlagenforschung aufgebaut wurde. Diese produktiven Jahre eines Wissenschaftlers endeten praktisch kurz nach dem Fall der Mauer 1990.
Aber Casperson konnte in einer Auffanggesellschaft für arbeitslose Wissenschaftler wieder auf seinem ursprünglichen Forschungsgebiet der Ökologie Gutachten erarbeiten, um neue Naturschutz und Landschaftsschutzgebiete im Land Brandenburg auszuweisen. Zusammen mit Berliner Naturschützern gründete er 1991 den Förderverein Landschaftsschutzgebiet Buschgraben/Bäketal, durch dessen Arbeit in Kleinmachnow naturnahe Flächen dauerhaft geschützt und gepflegt werden konnten. Zu diesem Engagement gehörte naturgemäß, dass er auch einer der Motoren der Protestbewegung gegen den überdimensionierten Ausbau des Teltowkanals und der Machnower Schleuse war. Als Gemeindevertreter hat sich Gerhard Casperson in verschiedenen Positionen kommunalpolitisch engagiert und sich für eine maßvolle Ortsentwicklung eingesetzt. Im Landkreis Potsdam-Mittelmark hat er viele Jahre im Naturschutzbeirat an der Bewertung von Eingriffen in Natur und Landschaft ehrenamtlich mitgewirkt. Für sein Engagement wurde er vielfach ausgezeichnet und geehrt. Bis zu seinem 92. Lebensjahr hat er in der Agenda 21-Gruppe Naturschutz mitgearbeitet und sich in ganz praktische Lösungsvorschläge zusammen mit der Verwaltung eingebracht.
Das Engagement für den Natur- und Artenschutz entsprang der tiefen religiösen Überzeugung, dass der Mensch verantwortlich ist für die Bewahrung der Schöpfung. So nimmt es auch nicht Wunder, dass es Gerhard Casperson war, der in der ev. Kirchengemeinde Veranstaltungen zum konziliaren Prozess für den gemeinsamen Lernweg christlicher Kirchen zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung mitorganisierte. Im Gemeindekirchenrat bestimmte er den Weg der Kirchengemeinde deutlich mit, hin zu einer Gemeinschaft der Christen, die sich in die Gesellschaft öffnet und den Fragen von Gegenwart und Zukunft offen und konstruktiv stellt. Letztlich wurde die Kleinmachnower Gruppe der Bürgerbewegung „Demokratie jetzt“ 1989 in der ev. Kirchengemeinde aus der Taufe gehoben. Gerhard Casperson hat uns viel hinterlassen. Ist auch sein Tod Grund zur Trauer, so bleiben doch Freude und Dankbarkeit beim Erinnern an sein vielfältiges Wirken.
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